Quelle: Wolfsburger Allgemeine Zeitung - 27.07.2023
Fotounterschrift: Dank der von Carolin Külps (r.) übergebenen Spende konnten die Eheleute Monika und Wolfgang Schmidt 50 Schuh-Gutscheine an Bedürftige verteilen.
Foto: Boris Baschin
Das Essen wird für viele Menschen immer teurer, für die Bewohner der Obdachlosensiedlung an der Borsigstraße nahezu unerschwinglich. Die Bedürftigen stehen Schlange, wenn die Eheleute Monika und Wolfgang Schmidt Lebensmittel-Pakete verteilten. An diesem Mittwochmorgen haben sie außerdem 50 Gutscheine im Wert von jeweils 40 Euro für Schuhe dabei. Möglich macht dies eine 2000-Euro-Spende der Margarete Schnellecke-Stiftung: „Wenn die Grundversorgung schon schwierig ist, wird man an Schuhen erst recht sparen. Gerade bei den Preisen“, sagte Stiftungsvorstandsvorsitzende Carolin Külps bei der symbolischen Spendenübergabe an der Borsigstraße.
Seit 30 Jahren hilft das Ehepaar Schmidt ehrenamtlich Wohnungslosen, unterstützt durch Spenden. Sie verteilen Lebensmittel wie Milch, Saft, Nudeln, Sauce, Butter oder auch mal Kaffee. Heute haben sie zusätzlich die Schuh-Gutscheine im Gepäck, es gibt einen kurzen Applaus. „Die Leute sind sehr dankbar dafür. Sie haben ohnehin wenig Geld. Und Schuhe kosten nun mal“, sagt Monika Schmidt. Auch ein gespendetes Paar Schuhe hatten sie und ihr Mann mitgebracht. Sie hofft auf weitere Schuh-Spenden. Wer etwas geben wolle, könne sich an die Christophorus-Gemeinde wenden.
Spielsucht führte in den finanziellen Abgrund
Mehr als 80 Menschen mit oft tragischen Lebensläufen sind in der Obdachlosenunterkunft an der Borsigstraße untergekommen. Eine 66-Jährige erzählt, wie sie einst als Selbstständige ihren Lebensunterhalt verdiente und nach Wolfsburg kam, um hier ihre Mutter zu pflegen. Sie verfiel der Spielsucht. „Das war mein Untergang“, sagt sie. Ihre Wohnung habe sie verkauft, den Erlös von mehr als 300.000 Euro verspielt. „Bis ich kein Geld mehr hatte, um die Miete zu bezahlen.“
Sie begab sich in Therapie. „Heute kann ich an einer Spielhalle vorbeigehen. Aber dafür muss man hart arbeiten und einen starken Charakter haben“, sagt sie. Der Wolfsburger Betreuungsverein habe ihr durch die Insolvenz geholfen. „Und ich habe zwei Kinder, die hinter mir standen.“ Sonst hätte sie es nicht geschafft, sagt sie. Gesundheitlich ist sie angeschlagen. Arthrose, künstliche Hüfte – sie stützt sich auf einen Rollator. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer: Sie könne in ihre alte Heimat in Baden-Württemberg zurückkehren und im Haus ihrer Tochter wohnen. „Es steht noch eine OP und eine Reha an – dann bin ich hier verschwunden“, sagt sie.
Gesundheitssprechstunde für Bedürftige
Es gibt Obdachlose, die aus Scham nicht zum Arzt gehen – obwohl sie medizinische Hilfe bräuchten. Seit Ende Januar gibt es darum an der Borsigstraße eine Gesundheitssprechstunde. Külps lobt, dass sich die Stadt des Problems annimmt. „Es läuft zögerlich an“, meint Schmidt und erklärt, es brauche vor allem Geduld: „Wir haben fünf Jahre gebraucht, um das zu sein, was wir hier sind.“
Was die Eheleute Schmidt auszeichne, sei das Vertrauen, das sie sich bei den Bedürftigen erarbeitet hätten, betont Külps. Je älter die Leute seien, desto größer sei die Scham, um Hilfe zu bitten. Es gebe aber auch viel Dankbarkeit. „Wir bekommen rührende Dankesworte als Rückmeldung. Etwa, dass sich jemand zum ersten Mal in seinem Leben ein eigenes Paar Schuhe aussuchen durfte“, so Külps.