
Quelle: Wolfsburger Nachrichten, 15.03.2025 - Markus Kutscher:
Wolfsburg. 3,28 Millionen Euro in 25 Jahren und ein mit 5.000 Euro dotierter Ehrenamtspreis – das sind die nüchternen Zahlen. Doch was sich hinter den Zahlen verbirgt, ist entscheidend: Menschlichkeit, christliche Nächstenliebe und uneigennützige Hilfsbereitschaft. Dafür steht die Margarete Schnellecke-Stiftung, deren 25-jähriges Jubiläum jetzt in der Christus-Kirche und im Martin-Luther-Saal mit 150 geladenen Gästen gefeiert wurde. Und dafür stehen Wolfgang und Monika Schmidt.
Das Wolfsburger Ehepaar setzt sich seit vielen Jahren für obdachlose Menschen in Wolfsburg ein. Nicht nur Weihnachten bringen Schmidts Geschenke in die Obdachlosenunterkunft in der Borsigstraße. Sie helfen dort regelmäßig mit Möbeln, Kleidung, Lebensmitteln oder Hygieneartikeln aus. Für ihren unermüdlichen Einsatz erhielten Monika und Wolfgang Schmidt den mit 5.000 Euro dotierten „1. Margareten-Preis“. „Sie sind die Engel der Obdachlosen“, sagt Rolf Schnellecke. Der ehemalige Wolfsburger Oberbürgermeister hatte gemeinsam mit seiner Mutter Margarete zu ihrem 95. Geburtstag die gemeinnützige Stiftung ins Leben gerufen. Doch dazu gleich mehr.
Die Stiftung will den Ehrenpreis künftig jährlich ausloben. „Es ist ein Preis für gelebte Menschlichkeit durch Personen oder Institutionen, die als Vorbild dienen“, erläutert Schnellecke. Das Kuratorium und der Vorstand der Schnellecke-Stiftung hätten sich schnell für den ersten Preisträger entschieden. Seit 2008 arbeite die Stiftung eng mit dem Ehepaar Schmidt zusammen. Dessen selbstloser Einsatz beeindruckt Schnellecke zutiefst: „Sie helfen Menschen am Rande der Gesellschaft, denen manche nicht die Hand geben würden.“ Obdachlose fühlten sich oft ausgegrenzt und empfänden Scham. „Schmidts geben diesen Menschen Würde, Anerkennung und Wertschätzung. Sie haben ein kaum zu glaubendes Vertrauen aufgebaut. Und sie helfen aus tiefster innerer Überzeugung“, so Schnellecke weiter.
Diese Einstellung spiegele auch das Ansinnen der Stiftung wider. „Meine Großmutter Margarete war ein sehr bescheidener Mensch. Ihr größtes Glück war es, wenn sie im Kreise der Familie sein konnte“, erinnert sich Rolf Schnelleckes Tochter Carolin Külps. Sie ist seit 2017 Stiftungsvorsitzende. Margarete Schnellecke übernahm nach dem viel zu frühen Tod ihres Mannes die Leitung des anfangs noch kleinen Speditionsgeschäfts. Mit harter Arbeit entwickelte sie es zu einem weltweit tätigen Logistik-Unternehmen. „Ihr war immer bewusst, dass es anderen Menschen in ihrem Alter nicht so gut geht. Sie wollte Menschen in Not helfen und Freude bereiten“, sagt Külps.
Die 2000 gegründete Stiftung startete mit dem Ziel, bedürftige Seniorinnen und Senioren im Raum Wolfsburg zu unterstützen, wenn anderweitig keine Hilfe zu erwarten ist. Eine Rentnerin ist Carolin Külps in besonderer Erinnerung geblieben. „Sie konnte sich mit Hilfe der Stiftung das erste eigene Paar Schuhe in ihrem Leben kaufen.“ Manche könnten sich keinen Kühlschrank leisten, andere keine Brille. Häufig seien es Einzelfälle, die Unterstützung bräuchten. „Wir versuchen schnell und unbürokratisch zu helfen“, verspricht Külps. Ein Leumund, der die Notlage bestätige, sei aber wichtig, um Missbrauch vorzubeugen. Dazu arbeite die Stiftung unter anderen eng mit Sozialverbänden, Seniorenheimen oder ambulanten Pflegediensten zusammen. „Dort kennt man die Nöte der Menschen.“
Sie geben den Obdachlosen Würde, Anerkennung und Wertschätzung. Sie helfen aus tiefster innerer Überzeugung.
Rolf Schnellecke, über das mit dem Margareten-Preis ausgezeichnete Ehepaar Schmidt.
Seit 2004 unterstützt die Schnellecke-Stiftung nicht mehr nur Senioren, sondern fördert auch Kinder und Jugendliche. Dadurch soll benachteiligten jungen Menschen ein besserer Start ins Leben gewährleistet werden. Das kann zum Beispiel ein Zuschuss für eine Klassenfahrt und Ferienfreizeit oder auch für die Wohnungseinrichtung sein. Doch es gehe keineswegs nur um finanzielle Unterstützung. Ein großes Problem sei auch die Einsamkeit. „Die zieht sich durch alle Schichten und Altersstufen“, weiß Külps zu berichten.
Auch hier hat die Stiftung Ideen entwickelt. Es wurden die Margareten-Nachmittage und die Akademie der Generationen ins Leben gerufen. Nachmittags gehen Ehrenamtliche der Stiftung, die „Margareten-Engel“, wie Külps sie liebevoll nennt, in Seniorenheime. Es gibt Kaffee und Kuchen. Dazu wird gespielt und gesungen. „Es ist sehr berührend zu sehen, wie eine an Demenz erkrankte alte Dame plötzlich aufblüht und fröhlich mitsingt, wenn sie ein Lied aus ihrer Jugend hört“, erzählt Külps.
Ziel der vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Akademie der Generationen ist es, den Austausch untereinander und das Verständnis füreinander zu fördern. Diese Initiative liegt in den Händen von Nicole Kannewurf, der stellvertretenden Vorsitzenden. „Wir wollen eine Brücke zwischen Jung und Alt schlagen“, betont Külps. Dafür würden Wolfsburger Schüler regelmäßig Seniorenheime besuchen. Es gebe Projekte, bei denen Schüler spezielle Anzüge, Brillen und Handschuhe anziehen, die das körperlich eingeschränkte Leben von alten Menschen simulieren können. „Das sind für die Jugendlichen richtige Aha-Momente“, hat Külps beobachtet.
3,28 Millionen Euro hat die Stiftung seit 2000 ausgeschüttet. Die Hilfe ging an Senioren (1,58 Millionen Euro), Kinder und Jugendliche (695.000 Euro), Obdachlose (215.000 Euro) sowie generationsübergreifende (480.000 Euro) und weitere Projekte (310.000 Euro). Das Stiftungsvermögen wird durch die Firma Schnellecke unterstützt und erwirtschaftet Zinsen. Die Stiftung bekomme aber auch zahlreiche Spenden. „Es gibt immer mehr Menschen, die auf Geburtstagsgeschenke verzichten und stattdessen um Spenden bitten“, freut sich Rolf Schnellecke und fügt hinzu. „Das zeigt, wie selbstlos viele denken und wie anerkannt unsere Stiftung ist.“
Glücklich schätzt sich das ehemalige Stadtoberhaupt, das im vergangenen Jahr seinen 80. Geburtstag feierte, dass die Stiftung seit 25 Jahren von mehreren Generationen der Familie getragen wird. Rolf und seine Frau Ilona Schnellecke sind die Vorsitzenden des Kuratoriums. Seine Schwester Annegret Kannewurf war von 2005 bis 2017 Stiftungsvorsitzende. Seitdem hat Tochter Carolin Külps den Vorsitz inne. Sohn Christian Schnellecke zählt neben Nicole Kannewurf ebenfalls zum Vorstand. „Und die vierte Generation steht schon in den Startlöchern“, sagt Rolf Schnellecke und lächelt zufrieden. Ganz so, wie es sich die 2005 im Alter von 100 Jahren verstorbene Margarete Schnellecke gewünscht hätte.